Doping am Arbeitsplatz: Die Deutschen wollen funktionieren thinkstock
  • Stefan Mayr
Studie

Doping am Arbeitsplatz: Die Deutschen wollen funktionieren

Doping spielt nicht nur im Sport eine Rolle. Immer mehr Deutsche greifen auch im Arbeitsalltag zu verschreibungspflichtigen Medikamenten, um im Job bessere Leistungen zu bringen.

 

Das hat die Krankenkasse DAK in einer neuen Studie herausgefunden. Für die repräsentative Studie wurde untersucht, ob und wie Erwerbstätige ohne medizinische Notwendigkeit zu verschreibungspflichtigen Medikamenten greifen. Experten nennen dieses Phänomen pharmakologisches Neuro-Enhancement. Hierfür hat die DAK-Gesundheit Arzneimitteldaten von 2,6 Millionen erwerbstätigen Versicherten analysiert und zusätzlich mehr als 5.000 Berufstätige im Alter von 20 bis 50 Jahren befragt. Demnach haben 6,7 Prozent der Berufstätigen, also knapp drei Millionen Menschen, das sogenannte Hirndoping wenigstens schon einmal praktiziert. Bei einem vergleichbaren DAK-Report waren es 2008 noch 4,7 Prozent.


Die Dunkelziffer fällt aber weit höher aus und dürfte bei rund 12 Prozent liegen. Auf die Bevölkerung hochgerechnet bedeutet das, dass rund fünf Millionen Erwerbstätige Medikamente eingenommen haben, um im Job besser zu funktionieren. Jeder Zehnte ist dem sogenannten Hirndoping – wenn auch noch nicht praktizierend – zumindest aufgeschlossen.


Interessant: Entgegen der landläufigen Meinung sind es nicht primär Top-Manager oder Kreative, die Höchstleistungen durch Medikamenteneinnahme erreichen wollen. Die Ergebnisse des DAK-Gesundheitsreports zeigen sogar den umgekehrten Zusammengang: Je unsicherer der Arbeitsplatz und je einfacher die Arbeit selbst, desto höher ist das Risiko für Hirndoping. Beschäftigte mit einer einfachen Tätigkeit haben zu 8,5 Prozent bereits Medikamente zur Leistungssteigerung oder Stimmungsverbesserung eingenommen. Bei Gelernten oder Qualifizierten sind es nur 6,7 Prozent. Bei den hochqualifizierten Beschäftigten beläuft sich die  Zahl auf 5,1 Prozent. „Das Klischee der dopenden Top-Manager ist damit vom Tisch“, so DAK-Vorstandschef Herbert Rebscher in einer Mitteilung.


Wer neigt zu Hirndoping?

Schenkt man der Analyse glauben, greifen an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit arbeitende Menschen oder Arbeitnehmer, deren Fehler schwerwiegende Konsequenzen haben können, eher zu leistungssteigenden Medikamenten. Beschäftigte mit häufigem Kundenkontakt nehmen hingegen überwiegend Tabletten zur Stimmungsverbesserung. Fast jede fünfte Frau nennt häufigen Kontakt mit Menschen als Grund für den Medikamentenmissbrauch. Vor allem Frauen zwischen 40 und 50 Jahren helfen nach. „Frauen nehmen eher bestimmte Mittel gegen Depressionen, um die Stimmung zu verbessern und Ängste und Nervosität abzubauen“, erläutert Rebscher die Motive. „Bei Männern sind es meist anregende Mittel. Sie wollen wach bleiben, stark und leistungsfähig sein.“


Welche Medikamente sind gefragt?

Die meisten Hirndoper nehmen Medikamente gegen Angst, Nervosität und Unruhe (60,6 Prozent) sowie Medikamente gegen Depressionen (34 Prozent) ein. Etwa jeder achte Doper schluckt Tabletten gegen starke Tagesmüdigkeit. 11,1 Prozent nehmen Betablocker. Wobei jeder Zweite für die entsprechenden Medikamente ein Rezept vom Arzt bekommt. Jeder Siebte erhält Tabletten von Freunden, Bekannten oder Familienangehörigen, jeder Zwölfte bestellt sie ohne Rezept im Internet. Dass gerade der Bezug aus dem Netz durch das hohe Fälschungsrisiko riskant ist, versteht sich von selbst.


Nach Ansicht von Experten ist neben dem äußeren Druck am Arbeitsplatz auch die innere Haltung entscheidend, wenn es um die Anfälligkeit für das Dopen geht. So seien übertriebene Ansprüche an die eigene Leistungsfähigkeit häufig ein Problem. Anstatt zur Pille zu greifen, sei es deshalb wichtig, zu erkennen, dass Stress-Situationen am Arbeitsplatz nicht völlig vermeidbar sind. Laut DAK-Report ist der Großteil der Arbeitnehmer hier schon auf dem richtigen Weg: Demnach setzt mehr als jeder Zweite auf eine gute Organisation bei der Arbeit. 44 Prozent der Beschäftigten achten darauf, ihre Freizeit möglichst sinnvoll zu verbringen. Sechs von Zehn schlafen ausreichend, um besonders leistungsfähig zu sein.